Entwicklung der Geschlechtsorgane

Die äußeren Genitalien werden herangezogen, um ein neugeborenes Kind als männlich oder weiblich zu definieren.

Obwohl männliche und weibliche Geschlechtsorgane bei Erwachsenen meist recht unterschiedlich aussehen, sind sie in ihrem Aufbau sehr ähnlich. Sie entwickeln sich aus den gleichen embryonalen Strukturen. Unterschiede entstehen erst nach und nach, im Verlauf der embryonalen Entwicklung. Ihre volle Funktion erreichen die Geschlechtsorgane erst nach der Pubertät, wenn ihr Wachstum durch hormonelle Einflüsse zum Abschluss gekommen ist.

Äußere Geschlechtsorgane in der Embryonalentwicklung

Weiblich: 16. Woche Weder-noch: 7. Woche Männlich: 16. Woche

Weiblich: 16. Woche

Weder-Noch: 7. Woche

Männlich: 16. Woche


Wir gehen hier zunächst auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der physischen Geschlechtsbestimmung ein. Danach wird die geschlechtliche Differenzierung während der Embryonalentwicklung und in der Pubertät beschrieben. Schließlich werden einige Aspekte rund um das Thema Intersexualität beleuchtet.

Physische Geschlechtsbestimmung

Welchem Geschlecht ein Mensch nun angehört ist nicht so einfach zu sagen. Abgesehen vom sozialen Geschlecht, das völlig von körperlichen Merkmalen losgelöst werden kann, wird auch aus medizinischer Sicht nach drei Geschlechtsbestimmungen unterschieden, die einander nicht unbedingt entsprechen.

Genetisches Geschlecht

Geschlechtschromosomen

X-Chromosom

Y-Chromosom

Das genetische Geschlecht wird über die Geschlechtschromosomen bestimmt, die das dreiundzwanzigste Chromosomen-Paar bilden. Jede Eizelle trägt ein X-Chromosom. Das genetische Geschlecht hängt also davon ab, ob durch das befruchtende Spermium ein X- oder ein Y-Chromosom dazukombiniert wird. Eine XX-Paarung ist genetisch weiblich, eine XY-Paarung ist genetisch männlich.

Gonadales Geschlecht

Embryonale Gonaden

Ur-Eierstock, 11. Woche

Ur-Hoden, 13. Woche

Das gonadale Geschlecht bezieht sich auf die Ausprägung der Keimdrüsen. Grundsätzlich ist die Ausbildung männlicher Keimdrüsen vom Vorhandensein eines Y-Chromosoms abhängig. Doch selbst wenn diese Voraussetzung gegeben ist können genetische Mutationen die Ausbildung männlicher Gonaden und damit jede weitere Entwicklung männlicher Geschlechtsorgane unterbinden. Fehlt das Y-Chromosom oder sind bestimmte Funktionen blockiert, so bleibt die Gonadenanlage zunächst im indifferenten Stadium und entwickelt sich dann selbständig zu einem Ovar.

Somatisches Geschlecht

Embryonale Genitalien

Klitoris, 13. Woche

Penis, 13. Woche

Das somatische Geschlecht wird vom Fehlen oder Vorhandensein einer Hodenanlage bestimmt, die in der Lage ist, Testosteron zu produzieren. Erst unter dem Einfluss von Testosteron bilden sich männliche innere und äußere Geschlechtsorgane aus. Fehlt es, so führt die Entwicklung automatisch zur Ausbildung weiblicher innerer und äußerer Geschlechtsorgane. Auch eine Maskulinisierung in der Pubertät wird durch das Fehlen von Testosteron unterbunden.

Homologe Strukturen

Homologe Strukturen

Beim genetisch männlichen Embryo entwickeln sich die ursprünglich undifferenzierten Strukturen unter dem Einfluss von Testosteron zu einem männlichen Körper mit männlichen Geschlechtsorganen. Beim genetisch weiblichen Embryo führt das Fehlen von Testosteron dazu, dass sich "von selbst" ein weiblicher Körper mit weiblichen Geschlechtsorganen entwickelt. Da sich jedoch männliche und weibliche Geschlechtsorgane aus der selben embryonalen Zellmasse entwickeln, entsprechen sie sich in verschiedener Hinsicht, was wissenschaftlich mit dem Begriff "homolog" bezeichnet wird.

Embryonalentwicklung

Von sich aus verläuft die Entwicklung immer in Richtung der Ausbildung weiblicher Geschlechtsorgane. Nur das Vorhandensein eines Y-Chromosoms im dreiundzwanzigsten Chromosomen-Paar kann die Ausbildung männlicher Geschlechtsorgane anstoßen.

Die Gene selbst bleiben dabei allerdings im Hintergrund. Sie geben lediglich ihre in der DNS verschlüsselten Informationen zum Aufbau bestimmter Eiweißstoffe an die Organe der Zellen weiter. Im frühen Stadium der Embryonalentwicklung haben diese Proteine vor allem die Funktion, sich an spezifische Erkennungsstellen des DNS-Stranges zu heften, um dort bisher stumme Gene zu aktivieren und andere zu blockieren.

Was daraufhin in den einzelnen Zellen geschieht hängt von ihrem Typ ab. Jede Zelle beinhaltet zwar alle Gene des gesamten Genoms, doch es werden nur Informationen abgelesen, die für die Funktionen der jeweiligen Zellen relevant sind. In einer Hodenzelle ist das die Bauanleitung für die Produktion von Testosteron, in einer Eierstockzelle jene für die Östrogensynthese.

Embryonale Genitalien 01

In den ersten Wochen ihrer Entwicklung sind Embryonen geschlechtlich noch undifferenziert. Unabhängig vom Chromosomensatz entstehen Strukturen, die sich erst später zu weiblichen oder männlichen Geschlechtsorganen entwickeln werden.

Äußerlich kann man an der Stelle, wo später die Genitalien wachsen, Ausbuchtungen und eine Einbuchtung erkennen. Genitalhöcker, Genitalfalten und Genitalwülste bilden die Grundlage zur Entwicklung von Penis und Hodensack oder Klitoris, Schamlippen und Vagina.

Im Inneren befindet sich eine Gewebeleiste, in der die Gonaden angelegt sind. Hier bilden sich die Wolffschen und Müllerschen Gänge, aus denen die inneren Geschlechtsorgane hervorgehen werden. Die Urgeschlechtszellen, Vorläufer von Eizellen und Spermien, gelangen aus dem Dottersack in die Keimdrüsenanlagen nahe der Urniere.

Embryonale Genitalien 02

Gegen Ende des dritten Schwangerschaftsmonats beginnt die Differenzierung. Die Entwicklung läuft automatisch in Richtung Frau. Hoden, in denen das zur Maskulinisierung nötige Testosteron produziert wird, entwickeln sich erst auf ein spezielles Signal hin.

Entscheidend für eine Differenzierung der weiblichen Geschlechtsorgane ist ein auf dem X-Chromosom sitzendes Gen namens dax-1. Es wird in männlichen wie in weiblichen Keimanlagen aktiviert. In der männlichen Entwicklung verstummt es allerdings zu Beginn der Hodenentstehung - ein Hinweis darauf, dass zwar häufig die gleichen Gene wirken, aber erst deren Aktivität zu einem bestimmten Zeitpunkt die geschlechtliche Zukunft des Embryos prägt. Hohe Konzentrationen des auf Basis der dax-1 Informationen hergestellten Proteins können genetisch männliche Embryonen feminisieren. Etwa wenn sich die dax-1 Region auf dem X-Chromosom durch eine Mutation verdoppelt hat.

Embryonale Genitalien 03

Für die Feminisierung ist noch ein weiteres Gen relevant: wnt-4. Es steuert die Weiterentwicklung der Müllerschen Gänge, aus denen später Uterus und Eileiter entstehen und wirkt einer möglichen Maskulinisierung entgegen, indem es bei der Eierstockreifung das Aufkommen der Leydig-Zellen unterbindet, die als Produktionsstätten von Testosteron fungieren.

Andererseits blockiert dax-1 die Ausschüttung des Anti-Müller-Hormons, das durch Deaktivierung der Müllerschen Gänge eine wichtige Rolle bei der männlichen Entwicklung spielt.

Bestimmend für die Ausbildung männlicher Geschlechtsorgane ist das winzige sry-Gen (sex determining region) auf dem Y-Chromosom. Es wird gegen Ende des dritten Schwangerschaftsmonats aktiv und lenkt die Entwicklung rigoros in Richtung Maskulinisierung, indem es die Hoden entstehen lässt. In den Ur-Keimdrüsen regt das sry-Gen die Bildung der Sertoli-Zellen an, die später die Spermien stützen und ernähren.

Embryonale Genitalien 01

Für die Differenzierung männlicher Genitalien werden noch eine Reihe anderer Gene wirksam, die nicht nur auf X oder Y sitzen sondern über das gesamte Genom verstreut sind. So aktiviert das vom sry-Gen produzierte Protein ein Gen namens sox-9 auf Chromosom 17 und steigert die Produktion eines weiteren Proteins, das sich zuvor in weiblichen wie männlichen Keimanlagen nachweisen lässt. Nun schütten die Vorläufer der männlichen Geschlechtsdrüsen das sox-9-Protein in großen Mengen aus, während es in genetisch weiblichen Embryonen versiegt.

Zusammen mit weiteren Regelfaktoren aktiviert das sox-9-Protein in den Sertoli-Zellen das Gen zur Bildung des Anti-Müller-Hormons, das seinerseits die Anlagen für Uterus und Eileiter verkümmern lässt. Auch hier spielt die Dosis eine entscheidende Rolle. Unterschreitet die Konzentration einen bestimmten Wert, so schlägt das feminine Element durch und es entwickeln sich Eileiter und Uterus.

Embryonale Genitalien 05

In den heranreifenden Hoden werden durch die Wirkung des sry-Gens die Leydig-Zellen gebildet. Als Produktionsstätten für Testosteron liefern sie den für die weitere Entwicklung alleine entscheidenden Faktor: Was nun geschieht hängt von der Konzentration an Testosteron im genital noch immer weitgehend undifferenzierten Keimling ab.

Unter dem Einfluss von Testosteron gehen aus den Wolffschen Gängen Nebenhodengang, Samenleiter und Samenblase hervor. In den Ur-Gonaden wird Testosteron in das potentere Dihydro-Testosteron (DHT) umgewandelt. Die Gonaden reifen zu Hoden heran, bleiben allerdings noch in der Leistenfalte liegen.

Nun nimmt die Vermännlichung auch von außen sichtbar ihren Lauf. Der Genitalhöcker wächst sich zum Penis aus. Die Einbuchtung schließt sich. Einen Hinweis auf diese ursprüngliche Einbuchtung stellt eine leicht gerötete Narbe dar, die an der Unterseite des Penis von der Glans bis zum Anus verläuft.

Embryonale Genitalien 06

Die in die Länge gezogenen Geschlechtswülste verschmelzen an der Unterseite des Penis und formen die Harnröhre. Die Labio-Scrotalwülste schließen sich zum Hodensack.

Bleibt die Einwirkung von Testosteron aus, so reifen aus den Müllerschen Gängen der Genitalleiste die inneren weiblichen Geschlechtsorgane, Uterus und Eileiter, heran und die Ur-Gonaden entwickeln sich zu Eierstöcken.

Der Geschlechtshöcker wächst nur wenig und entwickelt sich zur Klitoris. Die Einbuchtung bleibt offen und bildet den vorderen Teil der Vagina, das Vestibulum. Aus den Genitalwülsten entstehen die kleinen, aus den Labio-Scrotalwülsten die großen Schamlippen.

Gegen Mitte des vierten Schwangerschaftsmonats ist die Geschlechtsdifferenzierung abgeschlossen. Im weiteren Verlauf der Embryonalentwicklung wachsen die inneren und äußeren Geschlechtsorgane mit dem gesamten Körper mit. Zwischen dem siebenten und neunten Monat senken sich die Hoden in der Regel in den Hodensack ab.

Von der Geburt bis nach der Pubertät

Pubertät

Ist das Kind dann geboren, gewinnt die Steuerung der Hormonproduktion durch die Hirnanhangdrüse an Bedeutung. In den Monaten nach der Geburt überschwemmt die Hypophyse den Körper mit großen Mengen an Gonadotropen Hormonen, dem follikelstimulierenden Hormon (FSH) oder dem luteinisierenden Hormon (LH). Die Hoden produzieren dann Testosteron in einer Konzentration, die der Pubertät entspricht. Ursache ist der Wegfall des in der mütterlichen Plazenta gebildeten Östrogens, das während der Schwangerschaft bremsend auf die Hypophyse gewirkt hat. Bleibende Auswirkungen hat dieses hormonelle Intermezzo allem Anschein nach nicht.

Danach spielen Hormone jahrelang keine Rolle mehr, kindliche Körper zeigen kaum Merkmale einer Geschlechtsdifferenzierung. Erst ab einem Alter zwischen 10 und 11 Jahren bei Mädchen und zwischen 11 und 12 Jahren bei Buben steigt die Hormonproduktion wieder an und die Differenzierung körperlicher Geschlechtsmerkmale nimmt ihren weiteren Lauf.

Der Hypothalamus sendet nun schubweise große Mengen des Gonadotropin-Releasing-Hormons. Es reget die Hypophyse zur Bildung der Gonadotropen Hormone FSH oder LH an, die ihrerseits in den Ovarien oder Hoden die Produktion von Östrogen oder Testosteron ankurbeln.

Bei Buben vergrößern sich die Hoden, der Penis wächst, die Schamhaare sprießen. In dieser Zeit, durchschnittlich im Alter zwischen 13 und 14 Jahren, kann auch der erste Samenerguss erfolgen. Das Ejakulat enthält meist noch keine Samenzellen, sondern besteht hauptsächlich aus Prostatasekret. Die Schambehaarung wird dichter und bildet ein Dreieck, dessen Spitze zum Nabel zeigt. Auch die Körperbehaarung wird stärker und ein Bartwachstum setzt ein. Zugleich vergrößert sich der Kehlkopf, die Stimme bricht, wird tiefer und aus dem Schildknorpel wölbt sich der Adamsapfel hervor.

Bei Mädchen wachsen Uterus, Eileiter und Eierstöcke. Zwischen dem achten und dem 13. Lebensjahr wölben sich die Brustdrüsen. Erste Haare erscheinen entlang der Schamlippen. Durchschnittlich im Alter zwischen 12 und 13 Jahren setzt die erste Menstruationsblutung ein. Der Zyklus ist zunächst noch unregelmäßig und ohne Eisprung, es dauert noch ein bis zwei Jahre, bis die volle Fortpflanzungsfähigkeit erreicht ist. Die Schambehaarung wird mit der Zeit dichter und bildet ein Dreieck, das nach unten zeigt. Die Brüste legen an Fettgewebe zu, Brustwarzen und Warzenhof vergrößern sich, gegen Ende der Pubertät hat die Brust ihre typische Form erreicht.

Beide Geschlechter legen in der Pubertät kräftig an Körpergröße zu: Gesteuert durch Wachstumshormone gehen zunächst Hände und Füße, dann Arme und Beine in die Länge, zum Schluss streckt sich der Rumpf.

Im Zusammenspiel mit Testosteron kurbeln die Wachstumshormone den Eiweißstoffwechsel stärker an. Dadurch baut der männliche Körper vermehrt Muskelmasse auf. Die typischen Proportionen bilden sich heraus: Bei Männern werden die Schultern meist breiter als die Hüften, der Brustumfang nimmt zu und die Muskeln an Armen, Beinen und Schultern werden deutlich sichtbar. Bei Frauen werden die Hüften in der Regel breiter als die Schultern. Fettgewebe um Brüste, Schultern, Hüften und Gesäß geben dem weiblichen Körper ein runderes Aussehen. Mit 13 bis 17 Jahren bei Mädchen und 15 bis 19 Jahren bei Buben ist das Wachstum abgeschlossen.

Vom Hermaphroditos zur Intersexualität

Narziss

Hermaphrodit Rom

Hermaphrodit Feuer

Hermaphrodit Kirche

Hermaphrodit Untersuchung

Normierung ist Gewalt

Stop Genitalverstümmelung

Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter

Bisher wurde die geschlechtliche Differenzierung beschrieben, als würde sie immer ganz glatt nach diesem Plan ablaufen. Doch die Realität richtet sich oft nicht nach dem Ideal. Bei den vielen molekularen Reaktionsschritten gibt es viele Möglichkeiten auch andere Wege einzuschlagen. Immer wieder werden Kinder geboren, deren genetisches, gonadales und somatisches Geschlecht nicht den gängigen Normen entsprechend übereinstimmen, die uneindeutig oder widersprüchlich sind. Dies als krankhaft einzustufen und abzutun statt eine Vielfalt des physisch-geschlechtlichen Ausdrucks gut sein zu lassen verursacht oft psychisches und physisches Leid.

Schon seit dem Altertum sind Menschen bekannt, die körperliche Merkmale beider Geschlechter tragen oder uneindeutig sind. Sie wurden, nach dem Sohn des griechischen Götterpaares Hermes und Aphrodite Hermaphroditen genannt.

Der römische Dichter Ovid erzählt den zugrundeliegenden Mythos in seinen Metamorphosen (IV.285-388):

Hermaphroditos wurde von einer Nymphe aufgezogen und wuchs zum schönsten Knaben auf der ganzen Welt heran. Im Alter von fünfzehn Jahren verließ er seine Amme und reiste nach Karien. Auf dem Weg dorthin erblickte ihn die Quellnymphe Salmakis. Sie konnte sich seiner Schönheit nicht entziehen und verliebte sich unsterblich in ihn. Salmakis unternahm Annäherungsversuche zu dem schönen Jüngling. Doch Hermaphroditos kannte die Tücken und Spiele der Liebe noch nicht. Er war erstaunt und eher unbeholfen, und wies seine Verehrerin ab. Eines Tages badete Hermaphroditos in einem Teich ohne zu bemerken, dass es die Quelle der Salmakis war. Salmakis nutze die Gelegenheit, umarmte ihn, zog ihn auf den Grund und betete zu den Göttern, sie auf ewig mit Hermaphroditos zu vereinen. Ihr Gebet wurde erhört und so verschmolzen Hermaphroditos und Salmakis zu einem einzigen Wesen. Als Hermaphroditos erkannte, dass er in einem Frauenkörper mit männlichen Genitalien steckte, war er entsetzt. In seiner Verzweiflung betete auch er zu Hermes und Aphrodite, seinen göttlichen Eltern, und wünschte: Jeder Mann, der in die Quelle der Salmakis eintauchen würde, solle ebenfalls zu einem Mischwesen werden. Die Götter waren gnädig und auch sein Gebet wurde erhört.

Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich die Einstellung gegenüber Hermaphroditen von der Verehrung als göttliche Wesen über die Dämonisierung und Verfolgung als Geschöpfe des Teufels und Missgeburten bis hin zur Stigmatisierung als Träger eines Syndromkomplexes mit Krankheits- und letztendlich pränatalem Abbruchswert. Diese Beurteilung und Behandlung hat sich bis heute gehalten.

In der griechischen Antike wurden Hermaphroditen noch als vollendete Kinder der Götter Hermes und Aphrodite bewundert und begehrt. Mit dem Aufstieg der römischen Herrschaft und der Macht der katholischen Kirche wurden die menschlichen Hermaphroditen als Monster betrachtet und am Scheiterhaufen verbrannt. Im Mittelalter wurden sie von den kirchlichen Würdenträgern verflucht, als Hexen verfolgt und ermordet. Bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts wurden sie als abnorme Ungeheuer verachtet und gemieden oder als perverse Sensationen zur Belustigung des Volkes auf Jahrmärkten in Schaubuden ausgestellt und begafft.

Im kanonischen und zivilen Recht des Mittelalters galten Hermaphroditen als Menschen, bei denen die Geschlechter zu variablen Anteilen vorhanden waren. Es oblag dem Vater oder dem Paten, bei der Taufe das Geschlecht festzulegen. An der Schwelle zum Erwachsenenalter stand es dem Hermaphroditen dann einmal frei zu entscheiden, welchem Geschlecht er nun bis zum Ende seiner Tage angehören wolle. Bis zur Renaissance wurde ein späteres Um-Entscheiden verfolgt und mit dem Tode bestraft.

Im 18. Jahrhundert setzte sich dann eine Sichtweise durch, die einer Vermischung beider Geschlechter in einem Körper prinzipiell widersprach. In jedem Individuum könne nur ein wahres Geschlecht als Träger seiner natürlichen Funktionen existieren. Ärzte sahen in den Geschlechtsmischungen bloße Verkleidungen der Natur, hinter denen das wahre Geschlecht stets zu finden sei. In der Rechtssprechung verschwand die Möglichkeit der freien Entscheidung. Im Prozess der diskursiven Explosion der biologischen Zweigeschlechtlichkeit oblag es künftig juristischen und medizinischen Experten, aus den anatomischen Besonderheiten das wahre, einzige Geschlecht herauszulesen.

Erst im 19. Jahrhundert wurde die Möglichkeit einer standesamtlichen Änderung des Geschlechts per Randvermerk eingeführt. Ab dem 20. Jahrhundert wurden die diagnostischen Methoden der medizinischen Geschlechtsbestimmung durch Hormon- und Chromosomenanalysen erweitert. Nun wurde der Begriff Intersexualität geprägt. Als grobe Untergruppen wurden feminine und maskuline Scheinhermaphroditen und echte Hermaphroditen eingeführt, die wiederum aufgrund genetischer, gonadaler, hormoneller und somatischer Varianzen in zahlreiche Syndrome differenziert und allesamt als behandlungsbedürftig erklärt wurden. Mediziner schufen sich hier selbst einen Markt und erklärten sich zu Spezialisten.

Ab 1930 wurden zur Therapie chirurgische und hormonelle Korrekturmöglichkeiten entwickelt. Zunächst wurden sie Erwachsenen angeboten, die jedoch oft dankend ablehnten. Ab Ende der 40er Jahre griff man auf Kinder zurück und diese Praxis hat sich bis heute gehalten.

Wird nach der Geburt Intersexualität festgestellt, so erfolgt zunächst eine geschlechtliche Zuweisung. Sie richtet sich primär nach der chirurgischen Machbarkeit und lautet in 90 Prozent der Fälle auf weiblich. Ein weibliches Genital ist chirurgisch leichter herzustellen als ein männliches. Um einen geschlechtlich eindeutig einzuordnenden Körper zu erzeugen werden die Betroffenen meist schon in der frühen Kindheit chirurgischen Eingriffen unterzogen, ohne eine Chance zu haben, für sich selbst zu entscheiden. Von der Seite der Psychiatrie wird die Herausbildung einer eindeutigen Geschlechtsidentität an einen normierten Körper geknüpft.

In letzter Zeit mehren sich die Stimmen Betroffener, bei denen die fremdbestimmte geschlechtliche Zuordnung und Zuschneidung Widerspruch erregt - weil sie das ihnen zugewiesene Geschlecht ablehnen, weil sie eine Zuweisung an sich ablehnen oder weil sie an den Folgen der Behandlung leiden. Manche bezeichnen die an ihnen vorgenommenen operativen Eingriffe als Folter. Weltweit setzen sich Interessensvertretungen von Intersexuellen für das Recht auf Selbstbestimmung, die Vermeidung chirurgischer Eingriffe an Minderjährigen, die Aufklärung der Eltern in alternativen Beratungsstellen und eine kompetente psychologische Betreuung ein.

Intersexualität

Die Ursachen der heute unter der Bezeichnung "Intersexualität" gesammelten Phänomene sind vielfältig und ergeben sich meist aus einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Aufgrund der Komplexität der Thematik werden kaum epidemiologische Daten erhoben.

Die "Intersex Society of North America" veröffentlicht Häufigkeitswerte aus einer im "American Journal of Human Biology" (2000) publizierten Studie. Demnach werden bis zu zwei von hundert (2%) Kinder mit körperlichen Merkmalen geboren, die von der männlichen und weiblichen Norm abweichen. Bei ein bis zwei von tausend Kindern (0,1% bis 0,2%) werden die Genitalien durch operative Eingriffe einer Norm angeglichen. Die "Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität" (dgti) geht ebenfalls von einer Gesamthäufigkeit der Intersexualität um die zwei Prozent aus, gibt jedoch die Häufigkeit für wahrgenommene Intersexualität mit eins von 200 (0,5%) an.

Nach Gesprächen Betroffener mit Ärzten aus ganz Österreich wird hierzulande jährlich etwa bei 20 bis 25 Neugeborenen Intersexualität diagnostiziert.

Intersexualität bei männlichem Genotyp (XY)

Trotz einer männlichen Paarung der Geschlechtschromosomen kommt es nicht oder nur zum Teil zu einer Maskulinisierung der inneren und äußeren Geschlechtsorgane.

Bedingung für die Ausbildung maskuliner Geschlechtsorgane ist die Versorgung des Körpers mit einer ausreichenden Menge an Testosteron. Zum Aufbau von Testosteron ist eine Reihe von Enzymen nötig. Insgesamt sechs Syntheseschritte müssen dabei durchlaufen werden. Jeder der dafür verantwortlichen DNS-Abschnitte kann durch genetische Mutationen die Produktion dieser Enzyme gehemmt sein. Doch auch bei einer ausreichenden Versorgung mit Testosteron kann dessen Wirkung durch Resistenzen unterbunden sein.

In der Ausprägung der Geschlechtsorgane und sonstigen Geschlechtsmerkmale ergibt sich dadurch ein breites Feld an Zwischenstufen. Genetisch männliche Menschen können, bei einem sehr niedrigen Testosteronspiegel oder bei völliger Resistenz, auch zu Personen mit einem unauffälligen, femininen Erscheinungsbild heranwachsen.

Swyer's Syndrom:
Durch eine Mutation des sry-Gens werden keine Hoden ausgebildet. Die Gonaden werden zu bindegewebigen, weißlichen Strängen, die weder Keimzellen enthalten noch Hormone produzieren. Die äußeren Genitalien werden weiblich ausgebildet, ebenso wie eine normale Vagina und ein Uterus. Ohne ausreichende Hormonproduktion erfolgt in der Pubertät keine Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale. So bleibt etwa ein Brustwachstum aber auch eine Bartentwicklung aus.

Testikuläre Feminisierung:
Sammelbezeichnung für Phänomene die durch eine Testosteronresistenz entstehen. Es wird zwar Testosteron in ausreichender Menge gebildet, doch die Androgenrezeptoren in den Zellen reagieren nicht darauf und so verliert es mehr oder weniger seine Wirkung.

Bei einer völligen Resistenz gegenüber Testosteron und dessen Derivat DHT (CAIS, Complete Androgen Insensitivity Syndrom) ist die Ausbildung der Wolffschen Gänge und damit die Entstehung von Nebenhodengang, Samenleiter und Samenblase blockiert. Durch die Aktivität des sry-Gen werden jedoch Hoden ausgebildet. Sie aktivieren das Anti-Müller-Hormon und so können weder Eileiter noch eine Gebärmutter wachsen. Die äußeren Genitalien entwickeln sich ohne den Einfluss von Testosteron feminin, mit Klitoris, Schamlippen und einer - allerdings blind endenden - Vagina. In der Pubertät schreitet die Feminisierung weiter fort. Die Hoden bleiben im Leistenkanal verborgen, können aber dennoch Androgene bilden. Diese werden in Östrogen umgewandelt und bewirken ein Wachstum der Brüste. Auffällig ist meist nur, dass die Menstruation ausbleibt.

Bei einer teilweisen Resistenz gegenüber Testosteron (PAIS, Partial Androgen Insensitivity Syndrom) kommt es - abhängig davon, wie weit die Rezeptoren auf Testosteron reagieren - zu unterschiedlichen Ausprägungsformen, die von einem femininen über ein gemischtes bis zu einem maskulinen Erscheinungsbild reichen. Die Androgene können schon im Embryonalstadium eine mehr oder weniger maskulinisierende Wirkung entfalten. In der Pubertät setzt sich diese weiter fort.

5-Alpha-Reductase-Mangel:
Das Testosteron kann durch einen Mangel an dem Enzym 5-Alpha-Reductase nicht in das zur Entwicklung eines Penis nötige DHT umgewandelt werden.

Dadurch entstehen feminine äußere Geschlechtsorgane, die inneren Strukturen werden jedoch maskulin ausgebildet. Die Hoden bleiben meist im Bauch oder in der Leiste verborgen. Erst in der Pubertät, wenn Testosteron in großen Mengen gebildet wird, kann genug DHT entstehen. Die vermeintliche Klitoris wächst dann zu einem Penis heran, maskuline sekundäre Geschlechtsmerkmale prägen sich aus, mitunter wandern sogar die Hoden in den Hodensack.

In einer Sippe der Dominikanischen Republik ist dieses Phänomen häufig zu beobachten und wird als "Guevedoce" (Penis mit Zwölf) bezeichnet. Die Kinder werden zunächst als Mädchen erzogen, wechseln aber später häufig mit Leichtigkeit ihre Geschlechtsrolle in Richtung Mann. Die soziale Anpassung der sogenannten "Machihembras" (erst Frau, dann Mann) erfolgt dabei auch seitens der Gemeinschaft ohne nennenswerte Probleme.

Intersexualität bei weiblichem Genotyp (XX)

Trotz einer weiblichen Paarung der Geschlechtschromosomen werden meist maskuline Genitalien ausgebildet. Aus den Gonaden entwickeln sich in der Regel Einerstöcke, während Uterus und Vagina häufig fehlen. Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind eher maskulin geprägt.

Auslöser ist ein erhöhter Androgenspiegel während der Embryonalentwicklung, der vielfältige Ursachen haben kann. Androgene können über die Mutter zugeführt werden, etwa durch Medikamenteinnahmen oder durch einen Androgene produzierenden Tumor in den mütterlichen Ovarien oder Nebennieren. Aber auch die Nebennieren des Embryos selbst können einen Überschuss an Androgenen produzieren, beispielsweise wenn Enzyme blockiert sind die sonst Cortisol aus Cholesterin synthetisieren.

Es kommt zu abgestuften Formen der Maskulinisierung. Besonders prägend sind die Androgene auf die Bildung der äußeren Genitalien, vor allem in der entscheidenden Phase um die zwölfte Schwangerschaftswoche. Wirken sie langfristig, so wird ein typischer Penis ausgebildet, während die Entstehung einer Vagina unterbleibt. Fällt dagegen die Androgenzufuhr nach der zwölften Woche wieder ab, so kommt es lediglich zu einer mehr oder weniger starken Vergrößerung der Klitoris.

Die inneren Geschlechtsorgane entwickeln sich meist typisch weiblich. Gebärmutter und Eileiter werden ausgebildet, da das blockierende Anti-Müller-Hormon nur in den Sertoli-Zellen produziert werden kann, deren Entstehung wiederum an das Vorhandensein des am Y-Chromosom lokalisierten sry-Gens gebunden ist. Aus eben diesem Grund kann es auch niemals zur Ausbildung von Hoden kommen.

Androgenitales Syndrom (AGS):
Durch einen Mangel am Enzym 12-Hydroxylase wird der Androgenspiegel erhöht. Meist wirkt sich der Enzymmangel schon während der Embryonalentwicklung aus und führt zu den oben beschriebenen Phänomenen. Manchmal gewinnt er auch erst in der Pubertät an Bedeutung und es kommt zu einer Virilisierung, etwa durch Stimmbruch, Bartwuchs und Klitoriswachstum.

MRKH-Syndrom (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom) hat NICHTS mit Intersexualität zu tun:

Das MRKH-Syndrom wird oft im Zusammenhang mit Intersexualität genannt. Es hat aber eigentlich nichts mit Intersexualität zu tun.

Aus bisher ungeklärten Ursachen wird im zweiten Schwangerschaftsmonat die Bildung der Müllerschen Gänge gehemmt. Der Uterus wird mehr oder weniger unvollständig ausgebildet, die Vagina kann völlig fehlen oder sehr kurz sein. Die Eierstöcke sind in der Regel funktionsfähig.

Die Zuordnung bei der Geburt ist immer ganz klar weiblich. Während der Pubertät kommt es zu einer Feminisierung, weibliche sekundäre Geschlechtsmerkmale bilden sich aus. Eine Diagnose erfolgt meist erst mit dem Ausbleiben der Menstruation. Durch operative Eingriffe (Vaginoplastik) kann Geschlechtsverkehr ermöglicht werden. Da die Gebärmutter aber meist rudimentär angelegt ist kann nur in den seltensten Fällen ein Kinderwunsch ermöglicht werden, obwohl Eierstöcke und Eileiter funktionsfähig sind.

Intersexualität bei männlichem und weiblichem Genotyp (XY / XX)

Darunter fallen eine Reihe von Phänomenen, die eine geschlechtliche Differenzierung verhindern oder abschwächen und eher in Richtung Uneindeutigkeit wirken. Ursachen sind meist Mutationen an Genen, die nicht auf den Geschlechtschromosomen oder auch am X-Chromosom lokalisiert sind.

Olfaktogenitales Syndrom oder Kallmann-Syndrom:
Durch eine frühzeitige Rückbildung der Gonadotropin-Releasinghormon produzierenden Zellen im Hypothalamus werden die Gonadotropen Hormone FSH und LH nur in geringer Menge oder gar nicht gebildet. Das bedingt ein Ausbleiben der Geschlechtsreifung in der Pubertät. Ursache ist eine Mutation des entsprechenden Gens am X-Chromosom, wodurch beide Genotypen betroffen sein können.

Führt ohne medizinische Behandlung zu Unfruchtbarkeit, da die Stimulation der Keimdrüsen ausbleibt. Bei männlichem Genotyp bleibt der Penis klein und es kommt zu Brustwachstum und Hochwuchs mit langen Extremitäten. Die Auswirkungen bei weiblichem Genotyp können deutlich abgeschwächt sein, wenn nur eines der X-Chromosomen von der Mutation betroffen ist. Der Körperbau bleibt kindlich, die Menstruation ist meist schleichend und ohne Eisprung. Oft wird wegen fehlender Auffälligkeiten der Genitalien die Diagnose nicht gestellt.

Aromatase-Mangel:
Aromatase ist das Enzym, das Androgene in Östrogene umwandelt. Durch Mutationen auf dem Chromosom 15 kann die Synthese dieses Enzyms gehemmt sein. Die embryonalen Androgene werden nicht in Östrogene umgewandelt, was eine Erhöhung des Spiegels an Plasmatestosteron und einen herabgesetzten Östrogenspiegel zur Folge hat.

Bei weiblichem Genotyp zeigt sich bei der Geburt eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Maskulinisierung der Genitalien. Die Eierstöcke werden oft nicht vollständig ausgebildet. Die Pubertät ist verzögert, das Brustwachstum und die Menstruation bleiben aus. Bei männlichem Genotyp wird die Diagnose, wenn überhaupt, erst im Erwachsenenalter gestellt. Durch den Östrogenmangel werden vermehrt Wachstumshormone gebildet, was zu einer hohen Statur führt. Das Skelett zeigt eher feminine Züge. Durch einen Mangel an Östrogen kann die Spermaflüssigkeit zäh sein, was die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt.

Mangel an 17-Beta-HSD oder 3-ß-HSD (Hydrosysteroid-Dehydrogenase):
Die beiden Enzyme sind dafür verantwortlich, die Vorstufen der Geschlechtshormone in Östrogen und Testosteron umzuwandeln. Ist die Synthese eines dieser beiden Enzyme gehemmt so werden zu wenig Geschlechtshormone gebildet und eine embryonale Geschlechtsdifferenzierung bleibt aus.

In der Pubertät schwächen sich die Symptome meist ab. Bei genetischen Männern beginnt eine spontane Maskulinisierung, etwa Klitorisvergrößerung, Stimmbruch und Bartwachstum. Teilweise kann aber auch ein Brustwachstum einsetzen. Bei genetischen Frauen bleibt meist nur eine leichte Virilisierung sichtbar, das Brustwachstum kann gehemmt sein und die Menstruation ausbleiben.

Sexualhormone produzierende Tumore:
Treten in der Nebennierenrinde, in den Eierstöcken oder in den Hoden auf, selten im Bereich der Hypophyse. Sie sind meist gutartig und können schon vor der Pubertät entstehen, ohne erkannt zu werden oder Beschwerden hervorzurufen. Je nach Art der Hormonausschüttung, dem Zeitpunkt und der Menge kommt es zu geschlechtsuntypischen Entwicklungen oder zur Beschleunigung bzw. Hemmung geschlechtstypischer Entwicklungen.

Intersexualität bei abweichendem Genotyp (X0 oder XXY)

Hier handelt es sich nicht um Mutationen einzelner Gene sondern um ein Genom, in dem nicht ein Paar von Geschlechtschromosomen sondern ein Single oder ein Drilling vorhanden ist.

Turner Syndrom (X0):
Statt eines Geschlechtschromosomenpaares ist nur ein einzelnes X-Chromosom vorhanden. Die inneren und äußeren Geschlechtsorgane werden unauffällig feminin ausgebildet. Die Pubertät bringt kaum merkliche Veränderungen. Die Statur bleibt kindlich und der Wuchs eher klein. Meist bleiben Menstruation und Eisprung aus. Ohne medizinische Behandlung besteht die Gefahr von beeinträchtigenden körperlichen Entwicklungsstörungen.

Klinefelter-Syndrom (XXY):
Beim Trennungsvorgang der Chromosomen während der Teilungsphase wird das X-Chromosom verdoppelt und es entsteht ein Drilling aus zwei X und einem Y. Das äußere und innere Erscheinungsbild ist überwiegend maskulin. Durch eine verringerte Testosteronproduktion kommt es in der Pubertät aber nicht zu den typisch maskulinen Ausprägungen und die Spermienproduktion ist meist erheblich vermindert.

Hermaphroditismus Verus

Beim echten Hermaphroditismus sind die Keimdrüsen beider Geschlechter ausgebildet. Sie können aus gemischtem Gewebe bestehen (Ovotestes) oder in getrennten Organen - entweder auf beiden Seiten beide Organe oder auf der einen Seite Hoden und auf der anderen Seite Eierstöcke - angelegt sein. Auch Eileiter und Uterus sind ausgebildet. Außen finden sich ein Penis und eine Vagina, die an der Basis des Penis mündet. Die Hoden sind meist in den Schamlippen oder in der Leistenfalte verborgen.

Sowohl eine Gebärfähigkeit als auch eine Zeugungsfähigkeit kann gegeben sein. Für eine Eigenbefruchtung sind jedoch zu wenig leistungsfähige Spermien vorhanden.

Die biologischen Ursachen für den echten Hermaphroditismus sind nicht vollständig geklärt. Sicher ist jedoch, dass sie sehr unterschiedlich sein können.

Einen Hinweis geben die Erkenntnisse eines britischen Forscherteams. Sie berichteten Mitte der 90er Jahre in der Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" über die bevorzugte Entstehung von Mischwesen bei der künstlichen Befruchtung. Das Phänomen kann auch bei einer natürlichen Schwangerschaft auftreten, ist dabei aber weit weniger häufig.

Werden zufällig zwei Eizellen gleichzeitig befruchtet, so kann es in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft zur Verschmelzung der beiden Keime zu einem einzigen Embryo kommen. Dieser besteht dann aus genetisch unterschiedlichen Zellen. Hat eines der befruchtenden Spermien ein X-Chromosom, das andere aber ein Y-Chromosom getragen, so divergieren die Zellen auch in der Paarung ihrer Geschlechtschromosomen.

Je nachdem, welche Körperteile auf die männlichen oder weiblichen Keimzellen zurückgehen, entstehen Personen mit gemischt-geschlechtlichen, femininen oder maskulinen Geschlechtsorganen.

Gemischtes Gewebe (XX/XY) gibt es allerdings nur bei 20% der echten Hermaphroditen. 70% sind genotypisch weiblich, 10% sind genotypisch männlich.

Quellen:

Geo Wissen Nr. 26, Frau & Mann, 2000, S. 22 ff; Medizinische Embryologie, Thieme Verlag, 1977, S. 198; Haeberle, Die Sexualität des Menschen; Intersex Society of North America (isna), Frequency: How Common Are Intersex Conditions?; Johanna Kamerman, Natur und Geschlechtswechsel, 1998; kassiber 34, It's easier to make a hole than to build a pole, 1998; Intersexualität und Geschlechterstudien (Philosohin 28)

Links

www.klinefelter-ost.at - XXY, Ostösterreichische Selbsthilfegruppe für Klinefelter

zwischengeschlecht.org - STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken

www.xy-frauen.de - Selbsthilfegruppe und Verein

Deutsche Kontaktgruppe für Menschen, die sich mit der Problematik auseinandersetzen müssen, nicht ohne weiteres in die gängigen Frau/Mann-Schemata hineinzupassen.

www.dgti.org - Deutsche Gesellschaft für Transsexualität und Intersexualität

www.christian-schenk.net - Initiativen im Deutschen Bundesrat

Christian Schenk ist ehemaliger Bundesrätin der PDS. Er hat einige Initiativen im deutschen Bundestag, unter anderem zu Intersexualität und Transsexualität gestartet.

www.isna.org - Intersex Society of North Ammerica

Interessensvertretung für Menschen, deren Anatomie von irgendwem als abweichend vom männlichen oder weiblichen Standard definiert wurde, die für ein Ende der Scham, Geheimniskrämerei und ungewollter genitaler Operationen eintritt.

 

 

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