TransX

320 Jahre TransGender-Hatz
14. Juli 1683 - 14. Juli 2003

- 14. Juli 1683 - seither - 14. Juli 2003 - Termine der Aktionswoche -
- Plattform - Historische Dokumente - Quellen - Info- & PR-Material -
--  English version --


 

14. Juli 1683

Es geschah am 14. Juli 1683, dem ersten Tag der Zweiten Wiener Türkenbelagerung. Die Stadt war eingekesselt, das Schottenkloster nahe der Stadtmauer stand in Flammen. Der Brand griff auf das Zeughaus am Hof, das Waffen- und Pulverlager, über. Die Bevölkerung geriet in Panik.

In der Nähe wurde ein etwa 17-Jähriger in Frauenkleidern aufgegriffen. Ihm und einen stadtbekannten Original, dem sogenannten Baron Zwifl, wurde - ohne jegliche Verdachtsmomente - unterstellt, für die Türken den Brand gelegt zu haben.

Die beiden wurden von der Menge gelyncht. Die blutigen Leichen wurden zum Friedhof bei der Peterskirche geschleift, wo ihnen Fleischhauergesellen unter dem Jubel der Menge fachgerecht die Haut abzogen.

 

Seither


Nach wie vor fallen TransGender-Personen Gewalttaten zum Opfer. Nur wenige Fälle, wie jener des Brandon Teena, der 1993 in den USA gelyncht wurde, sind der Öffentlichkeit bekannt (Kinofilm: "Boys don't cry").

Weitere Beispiele sind:

Trya Hunter, 1995, M2F, verstorben, nachdem ihr ärztliche Hilfe nach einem Autounfall verweigert wurde.

Chanel Picket, 1995, M2F, Schwarze Transsexuelle Prostituierte, von Williams Palmer 8 Minuten lang stranguliert. Er wird 97 wegen tätlichen Angriffs zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt aber des Mordes freigesprochen.

Debbie Forte, 1995, M2F, nach dem Besuch des Brandon Teena Prozesses ermordet, Liebhaber war vom Penis überrascht: drei Stichwunden in der Brust, stranguliert, Kopfverletzungen.

Chris Paige, 1996, M2F, Brutal geschlagen, stranguliert, etwa 20 Stichwunden in der Brust und in den Unterleib, zuletzt verbrannt.

Im Internet sind inzwischen 280, vorwiegend amerikanische Morde an TransGender-Personen verzeichnet (Stand 30. Juni 2003, www.gender.org/remember). Mehr als 50 davon stammen aus den letzten beiden Jahren. Fast jede zweite Wochen ein Mord. Der erste registrierte Fall ereignete sich 1972. Die letzten letzte Opfer sind:

Tanesha Starr, Birmingham, Alabama, am 22. Mai 2003 mehrfach erdolcht.
Shelby Tracey Tom , North Vancouver, Kanada, am 31. Mai 2003 ermordet.
Michael Charles Hurd, Houston, Texas, am 18. Juni erschossen.

Das jüngste europäische Opfer ist Merlinka (Vjeran Miladinovic). Der in Serbien u.a. durch TV-Talkshows bekannt gewordene Transvestit arbeitete als Prostituierte, Schriftstellerin und Schauspielerin. Am 22. März 2003 wurde Meralik in Belgard von zwei Männern zu Tode geprügelt. Ihr zerschundener Körper wurde einen Monat später gefunden.

280 Tote
Wie viele Verwundete?
Wie viele Misshandelte?

 

14. Juli 2003

320 Jahre sind genug. Am 14. Juli 2003 wollen wir daran erinnern. In Aktionen, Kundgebungen und einem Trauerzug.

Denn diese Geschichten sind auch in uns.

Wir kennen die Gewaltbereitschaft gegen Transgender Personen. Sie kann sehr subtil sein. Sie kann uns trotzdem ersticken.

Und sie erstickt:

Es ist dieselbe Gewalt, die manche TransGender in ihren Wohnungen einsperrt, ihre Existenzen vernichtet, sie in Depressionen bis hin zum Selbstmord treibt.
Es ist die Gewalt, die es Menschen verbietet ihre ambivalenten Gefühle zu leben.
Es ist die Gewalt, die unsere Geschlechtsrollen normiert:
Sexismus, der uns verbietet uns so zu verhalten, wie wir wollen.

Wir laden Dich und die Queer Community ein, uns an diesem Tag gemeinsam zu erinnern.

Kontakt und Informationen: eva@transgender.at

Informationsmaterial: Downloads hier verfügbar.


- 14. Juli 1683 - seither - 14. Juli 2003 - Termine - Plattform -Dokumente - Infomaterial -     


Aktionswoche 7. bis 14. Juli 2003

Montag, 7. 7. 2003, 20:00:
 
Lynchjustiz an einem Wiener Cross-Dresser:
Vom 14. Juli 1683 bis heute

Historisches Referat von Gloria G..
Rosa-Lila-Villa, Clubraum 1. Stock. 1060 Wien, Linke Wienzeile 102
 

Donnerstag, 10. 7., 20:00:
 
Grüne Andersrum TransGender Kino
"Paris is burning"

Von 20 bis 21 Uhr gibts "Trans Xpritzte" für alle, ab 21 Uhr Kino, Eintritt frei
Cinemagic (ehemals Opernkino, nun auch klimatisiert), 1010 Wien, Friedrichstraße 4
 

Freitag, 11. 7. 2003, 22:00:
 
Rosa Antifa Kino
"Venus Boyz"

2001 - die Odyssee im F2M-Raum.
Public Netbase, 1070 Wien, Burggasse 21. Eintritt frei
 

Samstag, 12. 7. 2003, 20:00:
 
TransMission III
320 Jahre danach: Trans - Queer - Friends Party

Alle Geschlechter willkommen!
Impulse of Sound, 1060 Wien, Gumpendorferstrasse 2
 

Montag 14. 7. 2003, 19:00:
 
Gendenkzug
zum 320. Jahrestag der Ermordung einer TransGender-Person

Um würdevolle Teilnahme wird gebeten
Treffpunkt: 19:00, 1010 Wien, Mölkerbastei. Zug über den Hof zur Peterskirche.
Abschluss mit 'Bukatka' - Performance des Volxtheater - no border Lab's
 


 

Plattform

Die transx.transgender.at

TransX Verein für TransGender-Personen
 

Aktion wird von folgenden Gruppen unterstützt:
wien.gruene.at

die Grünen
andersrum

hosiwien.at

HOSI
Wien

Libertine.at

Libertine
 

rainbow.or.at

rainbow.online

raw.at

Rosa
Antifa

SOAL

SOAL
Sozialistische Alternative

transgender.at

http://transgender.at
 

graz.transgender.at

Transgenderselbsthilfe-
gruppe Graz

linz.transgender.at

Transgender-
stammtisch Linz

salzburg.transgender.at

TIS - Transsexuellen-
initiative Salzburg

noborderlab

VolXtheater
noborderLAB

wuk.at

WUK - Werkstätten
und Kulturhaus



- 14. Juli 1683 - seither - 14. Juli 2003 - Termine - Quellen - Infomaterial -    


Historische Dokumente

 
Die Menge, die nun das neue Spektakel Feuer begafft, verliert plötzlich vollends den Kopf: Man will türkische Spione, bezahlte Brandstifter am Werk gesehen haben.
Ein etwa 17 Jahre alter Bursche, ein Strichjunge der Frauenkleider trägt, wird zur Rede gestellt und kurzerhand erschlagen, dann ein stadtbekannter harmloser Narr, der "Baron Zwifl", zu Boden gerissen und zu Tode getrampelt. Der Pöbel schleppt die blutüberströmten Leichen auf den Petersfriedhof (heute Petersplatz), wo Fleischhauergesellen ihnen die Haut fachgerecht abziehen.

Stephan Vajda, 1983, S. 93
 

 
Erstes Opfer der hysterischen Furcht war ein armer Narr namens Thanon, in der Stadt unter dem Namen "Baron Zwifl" bekannnt, der mit seiner Pistole in die Flammen geschossen hatte. Darauf ergriff ihn der aufgebrachte Mob und erschlug ihn. Man schleifte seinen Leichnam auf den Petersfreithof und zog ihm dort die Haut ab.
Dann wurde ein noch jüngerer Bursche, ein unglücklicher Transvestit, für einen Spion gehalten und in Stücke gerissen. Menschen, die Ungarisch oder Kroatisch sprachen, waren ernsthaften Bedrohungen und gefährlichen Angriffen ausgesetzt.

Günter Düriegel, 1981, S. 74
 

 
Das aufgebrachte Volk vermutete Verrat und lynchte auf der Stelle einen armen Verrückten und einen Knaben, der Frauenkleidung trug.

John Stoje, 1964, S. 171-172
 

 
Gegen 4. Uhr Nachmittags entstunde eine grosse Fewersbrunst in der Statt im Schottenhoff / welche / wie das gemeine Geschrey gienge / von einem Buben von 16. Jahren angelegt // und er von denen Rebellen darzu erkaufft // auch / damit er destoweniger dessen in Argwohn gezogen wurde / in einem Weiber // Habit verkleidet gewesen seyn solle. Man kann es aber darumb nit gründlich wissen / weil derselbe Bub in dem Auflauff deß tumultuirend // und tobenden Pövels alsobald in Stucken ist zerrissen // und also der Obrigkeit die Zeit und Gelegenheit entzogen worden / daß sie das Werck ordentlich hette untersuchen // und auff den Wahrheits//Grund kommen können; Dann viele seynd der Meinung / es seye dieser Bub nit verkleidet // noch der Anleger deß Fewers // sondern die Stallpursch selbst dessen Ursach gewesen / die das Fewer entweder auß Unachtsambkeit oder auß Bosheit angezündet / und darnach umb dem Werck einen Deckmantel umbzuhencken / die That bey dem zum löschen zulauffenden wuetenden Pövel auff diesen Buben gelegt / auff welchen die Stallpursch alsbald selbst // und sambt ihnen das verbitterte Volck so lang zugeschlagen / und zugehauen / biß sie ihn als einen dafür geglaubten Mordbrenner in der Furi in Stucken zerhauen und zerrissen haben / wie sehr auch der arme Mensch schrye / bate und sich entschuldigte. Und ist hierauß entstanden/ daß der Pövel nachgehends alle die Leuthe / so ihme nit bekandt gewesen / und ein wenig frembde Ungarisch // oder Croatische Kleidung angehabt / auff denen Gassen oft angefallen// und für Brenner angesehen // auch wohl angegriffen und injurirret // ja auch einen und anderen vor solche im Auffruhr außgeschriyen // und in continenti ohne Annehmung einiger Entschuldigung massacriret // darnach die Köpf offentlich durch die Statt zum Spectacul herumb getragen und auff Stangen gesteckt haben; Diesem Werck aber ist durch die Obrigkeit bald wieder gesteuret // und solche vermessene und weit außsehende Thaten eingestellet worden.

Joh. Peter von Vaelckeren, 1684, S. 28
 

 
In der Roßau hat’s zur gleichen Stund gebrannt, aber von dorther hat kein Fünklein herfliegen können; also wars ein gelegt Feuer, meinen die Leut; war alles wimmelschwarz vor Menschen in denen Gassen, alle halb wahnsinnig vor Zorn und Voreiligkeit ; schreien und halten jeden, so ungrisch oder krowotisch gekleidet, für den Brandstifter, schlagen auch gleich ihrer zweye krumm und krank, bedrohen alle Klosterbrüder mit Totschlag, und wie itzt auf einmal der „Baron Zwiefel“ dahertanzt, Thanon heißt er in Wahrheit, und Peter im Vornam, ein Spinner und Schmarotzer, so sich von einem Adels- und Bürgertisch durchfuttert, und kriegt er nix, ledig von Zwiebeln lebt, sagt er – und wie alsdann der Spaßvogel sein Terzerol (Taschenpistole) zieht und in die Flammen hineinschießt, als könnt man auch auf die Weis Feuer löschen , gehen die Leut her und erschlagen ihn auf der Stell; er muckst sich nimmer.
Dauert nit lang, taucht ein blutjunger rennender Mensch in Weiberkleidern auf, keiner weiß, warum und woher; war vielleicht toll oder gar einer von die Milchbart-Marketenderinnen, denen die Herren Feinschmecker gern unter den Weibskittel greifen, wohl wissend, dort ein stramm Männlein vorzufinden. Aus welchem Winkel der im Tumult entsprungen, bleibt ein Rätsel, den Rasenden aber gilt er im Nu für den Brandstifter, muß mit einem Hieb aufs Pflaster; er kniet, betet zu Jesus und Maria, fleht um Gnad, beteuert seine Unschuld und schreit, wie sie ihm den Schädel einschlagen, so grässlich, dass ich mich hab durchs Gewühl puffen und, die Händ vor die Ohren, übergeben müssen. Weiß selber nit, was mit mir los ist; würg mich halb tot.

Anselm Freiherr von P., 1683, zitiert nach Kurt Eigl, 1983, S. 60 ff
 

 

Quellen

 

Joh. Peter von Vaelckeren: "Wienn von Türken belägert, von Christen entsetzt...", Linz 1684.

Georg Christoph von Kunitz: "Diarium", Wien 1684.

Nicolaus Hocke: "Kurtze Beschreibung Dessen, Was in wehrender Türckischen Belägerung der Kayserlichen Residentz - Statt Wien vom 7. Julij biß 12. Septembris deß abgewichenen 1683. Jahres (...) passiret", Wien, 1685.3

Victor von Renner: "Wien 1683 oder die Rettung des Abendlandes", Wien 1883.

John Stoje: "Wien 1683 oder die Rettung des Abendlandes", Wien, Düsseldorf, 1967 (Original: London, 1964)

Walter Sturminger (Hrsg): "Die Türken vor Wien in Augenzeugenberichten", Düsseldorf 1968.

Günter Düriegel: "Wien 1683, die Zweite Türkenbelagerung", Katalog, Museum der Stadt Wien, Wien 1981.

Stephan Vajda: "Die Belagerung. Bericht über das Türkenjahr 1683", Wien, 1983.

Kurt Eigl (Hrsg): "Tagebuch eines Augenzeugen 1683", Wien 1983

Gloria G.: "Queer Durch. Körperpolitik in Österreich am Beispiel Transgender: Von Lesben-Knaben, phallischen Frauen, Genderbenders, ÜberläuferInnen des Geschlechts", in: Wolfgang Förster, Tobias Natter und Ines Rieder (Hrsg): "Der andere Blick. Lesbischwules Leben in Österreich. Eine Kulturgeschichte", Wien 2001.


- 14. Juli 1683 - seither - 14. Juli 2003 - Termine der Aktionswoche -
- Plattform - Historische Dokumente - Quellen - Info- & PR-Material


Text: Gloria G. & Eva Fels       
Plattform: http://TransX.TransGender.at, Postfach 331, 1171 Wien.   

TransX